Interview mit Stanislava Filcheva
Über E-Invoicing und die zunehmende Bedeutung von Tax Compliance für Unternehmen
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Seit August 2020 unterstützt Stanislava Filcheva das crossinx-Team als Produktmanagerin Tax Compliance. Als Expertin für Steuerkonformität (Tax Compliance) und E-Invocing hat Sie uns im Interview das Wichtigste zu den Grundlagen dieser Themen erklärt und gibt einen Einblick, vor welche Herausforderungen Tax Compliance Unternehmen stellt, aber auch, wie Unternehmen diese bewältigen können.
Was ist E-Invoicing?
"E-Invoicing ist der Austausch einer elektronischen Rechnung zwischen einem Lieferanten und einem Kunden. Das ist kein PDF, kein Papierdokument, nur eine maschinenlesbare Datei, die elektronisch übermittelt wurde, und somit gibt es einen rein elektronischen Austausch zwischen Lieferanten und Kunden."
Eine Mail mit angehängter Rechnung an meinen Lieferanten ist also keine E-Rechnung?
"Darauf wird häufig noch zurückgegriffen, aber das ist kein automatisiertes, voll digitales Invoicing und es ist auch kein wirklicher Fortschritt. Selbst wenn das Papier entfällt, erfordert der weitere Prozess dann doch manuelle Nachbearbeitung."
Wir bezeichnen uns oft als Experten für „Tax Compliance“. Was versteht man unter dem Begriff?
"Tax Compliance im Zusammenhang mit E-Invoicing sind alle steuerrechtlichen Anforderungen, die in einem Land an eine Rechnung gestellt werden, sodass diese rechtsgültig ist. Darunter fallen auch alle Prozesse rund um die Rechnung, die mit dem Finanzamt oder der Umsatzsteuer zusammenhängen. All das wird unter dem Begriff „Tax Compliance“ zusammengefasst. Letztendlich geht es um die Einhaltung von Steuervorschriften an eine Rechnung und darum, dass diese steuerkonform ist."
Warum gibt es all diese Regularien für Rechnungen?
"Die Mehrwertsteuerlücke ist weltweit 500 Milliarden Euro groß, das ist eine enorme Summe. Die Mehrwertsteuer macht 30 % der öffentlichen Umsätze aus, das bedeutet für die Länder große Verluste, insbesondere in der aktuellen Zeit, in der die Länder durch die Coronapandemie hohe Kosten haben. Dementsprechend versuchen nun alle, die Mehrwertsteuerlücke zu schließen und die Einkünfte zu erhöhen."
Warum ist es jetzt für Unternehmen wichtig, dass sie sich mit dem Thema Tax Compliance befassen?
"Es ist wichtig für Unternehmen, steuerkonform zu sein, ansonsten kann es passieren, dass eine Strafe verhängt wird, z. B. eine Geldstrafe. Insbesondere Unternehmen, die auch international tätig sind, stehen vor der Herausforderung, das dynamische Geschehen rund um Steuervorschriften in all diesen Ländern zu beobachten und ggfs. auch zu implementieren. Bereits europaweit sieht man so viele Regulierungen, dass man sich ein vages Bild dazu machen kann, was das für ein Unternehmen bedeutet, das nicht nur auf europäischer Ebene, sondern weltweit agiert.
Zudem muss man auch bedenken, dass in jedem Land andere Regularien gelten. Es kann zwar sein, dass diese alle in die gleiche Richtung gehen, aber dennoch hat jedes Land seine Spezifikationen und Besonderheiten. Wenn ich also als Unternehmen in 30 Ländern weltweit aktiv bin, muss ich auch darauf achten, die unterschiedlichen steuerrechtlichen Anforderungen in all diesen 30 Ländern zu beachten. Das ist viel Aufwand."
Kann es auch passieren, dass eine Rechnung vom Empfänger abgewiesen wird, sollte sie nicht steuerkonform sein?
"Ja, der Empfänger ist verpflichtet, nur steuerkonforme Rechnungen anzunehmen. Ein Unternehmen kann die Umsatzsteuer nur dann abziehen, wenn die erhaltene Rechnung den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Als Konsequenz würde der Rechnungssteller sein Geld später und erst dann erhalten, wenn die Rechnung steuerkonform gestellt wurde."
Was sind die größten Herausforderungen, die Tax Compliance für Unternehmen mit sich bringt?
"Bereits in Europa hat fast jedes Land eigene Besonderheiten. Sowohl die Voraussetzungen an eine Rechnung in Bezug auf was diese beinhalten soll, als auch die Frage, wie eine Rechnung verschickt werden muss. In Italien darf die Rechnung z. B. nur über eine Plattform an die Steuerbehörde versendet werden. Wenn die Rechnung direkt an den Empfänger geht, gilt die Rechnung nicht und man muss sie erneut schicken.
Europaweit gibt es das Business-to-Government (B2G)-Mandat, das die öffentlichen Verwaltungen verpflichtet, elektronische Rechnungen zu empfangen. In den meisten Ländern ist es so, dass die Lieferanten der öffentlichen Verwaltung elektronische Rechnungen erstellen müssen. Und auch wenn das ein Gesetz der Europäischen Kommission ist, wird dies in den Ländern verschieden umgesetzt. Je nachdem, ob ich ein Lieferant in Deutschland, Frankreich oder Österreich bin, muss ich ganz andere Sachen umsetzen und beachten, z. B. verschiedene Formate oder verschiedene Voraussetzungen. Es gibt also viel, was die Unternehmen beachten müssen, damit sie keine Strafen oder verspätete Zahlungen von Rechnungen riskieren."
Und selbst innerhalb Deutschlands unterscheiden sich die geltenden Regularien...
"Das stimmt. Zumindest das Format ist gleich, aber ansonsten muss man wirklich aufpassen. In vielen Bundesländern ist die Stellung der E-Rechnung schon Pflicht, sodass die öffentliche Verwaltung nicht nur Rechnungen empfangen können muss, sondern Lieferanten auch zum Versand von E-Rechnungen verpflichtet sind."
Wie kommt das zustande, dass es europaweit ein B2G-Mandat gibt, und die Länder das trotzdem alle unterschiedlich handhaben?
"Es gibt Rahmenbedingungen der Europäischen Kommission: Alle öffentlichen Verwaltungen, von der Regierung über die Kommunen bis hin zu den Gemeinden müssen in der Lage sein, E-Rechnungen zu empfangen. Es gab eine Frist, innerhalb dieser das alle Länder implementieren mussten. Aber viele Länder haben die Vorteile von E-Invoicing gesehen und haben beschlossen, direkt eine Pflicht einzuführen, wenn die öffentlichen Verwaltungen nun sowieso bereits fähig sind, E-Rechnungen zu empfangen. Dementsprechend wurde in vielen Ländern dann nicht nur der Empfang der E-Rechnung verpflichtend, sondern auch der Versand."
Ist schon absehbar, dass dies auch für den B2B- oder B2C-Bereich eingeführt werden wird?
"Ja, es gibt bereits Gespräche auf europäischer Ebene, dass ein E-Reporting (VAT-Reporting) und E-Invoicing auch in diesen Bereichen verpflichtend eingeführt wird. Das wurde bereits Ende März vom europäischen Parlament vorgeschlagen und jetzt muss die Europäische Kommission eine solche Gesetzgebung ausarbeiten. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass dieses Mandat auch auf B2B-Ebene eingeführt wird. Aber es gibt Länder, die das bereits jetzt und ohne Beschluss versuchen umzusetzen. Italien z. B. verpflichtet B2B und B2C schon seit einigen Jahren durch die Plattform SdI, in Frankreich und Polen kommt das B2B-Mandat für E-Invoicing in 2024."
Wie viel Zeit muss ich als Unternehmen einplanen, wenn ich weiß, dass eine neue Regulierung in einem Land umgesetzt wird?
"Das braucht schon etwas Zeit, es ist nicht so, dass man dann einfach mit einem Klick steuerkonform ist, man braucht oft auch neue Entwicklungen. Wenn man nicht dazu in der Lage ist, muss man stattdessen jemanden beauftragen. In Polen ist es z. B. so, dass die Rechnungen an eine zentrale Plattform übermittelt werden müssen, und diese Plattform hat verschiedene Voraussetzungen, die auch mit technischen Entwicklungen verbunden sind. Dafür sollte man sich auf jeden Fall genug Zeit einplanen und frühzeitig Experten einbinden, wenn man das Projekt nicht eigenständig im Haus umsetzen kann oder will. Das sollte man nicht unterschätzen.
Es sollte auch Zeit für eine Testphase eingeplant werden. Wenn die Pflicht in Kraft tritt und die neuen technischen Schnittstellen dann nicht funktionieren, sehen sich Unternehmen vor die bereits zuvor genannten Probleme gestellt."
Wie lange sollte so eine Testphase dauern?
"Das hängt immer auch vom Unternehmen und den neuen Regulierungen ab. Man sollte sich zumindest mit den Änderungen befassen und verstehen, was zu tun ist. Manche Unternehmen sind schneller und haben intern die Kapazität zur Umsetzung, andere involvieren externe Dienstleister zur Unterstützung."
Können Unternehmen Tax Compliance selbst sicherstellen? Das klingt, als würde es viel Zeit- sowie Personalressourcen und ein gutes Expertenwissen voraussetzen.
"Ja so ist es. Wie groß das dafür zuständige Team sein muss, ist natürlich davon abhängig, in wie vielen Ländern das Unternehmen agiert. Sind es nur 1 bis 2 Länder, ist es leicht möglich, den Überblick zu behalten. Wenn es jedoch mehr Länder sind, muss man wirklich aufpassen. Große Unternehmen übergeben die Verantwortung oft extern an Dienstleister, wie z. B. an uns, um das eigene Tagesgeschäft nicht zu sehr zu beeinflussen und all diese Expertise selbst aufbauen zu müssen. Auch wenn man z. B. nur die Rechnungsstellung in einem Land betreibt, benötigt man bereits unglaublich viele Implementierungen. Da ist es einfacher, wenn man nur ein System verwendet, darüber alles an einen Provider verschickt und dieser dann die Arbeit übernimmt; das erspart den Unternehmen viel."
Kurz und knapp auf den Punkt gebracht: Was hilft Unternehmen im Umgang mit Tax Compliance?
"Die Unternehmen müssen sich der immer weiterwachsenden Komplexität von Tax Compliance bewusst sein. Das bedeutet, dass man entweder in die eigene Struktur investiert und dementsprechend Mitarbeitende zu Experten weiterbildet oder sich die Unterstützung eines externen Dienstleisters holt."
Welche Änderungen kommen als Nächstes auf uns in Europa zu?
"In Polen und Frankreich stehen die nächsten Änderungen bevor. Über Polen haben wir bereits gesprochen. In Frankreich wird es von der Regierung zertifizierte Plattformen geben, die mehrere Aufgaben übernehmen: die Rechnungen zwischen den Steuerzahlern zu verschicken und zugleich die Rechnungen an Chorus Pro, die Plattform von Frankreich, als Reporting zu übermitteln. Es wird auch Plattformen ohne Zertifizierung geben, aber diese werden in der Verantwortung begrenzt sein. Sie können Daten nur an Chorus Pro, nicht aber an den Endkunden übermitteln. Da der Markt an Anbietern in Frankreich sehr groß ist, ist das eine umfassende Änderung. Viele deutsche Firmen haben Niederlassungen in Frankreich und auch diese werden betroffen sein. Die Neuerung wird für B2B, B2C sowie grenzüberschreitende Rechnungen gelten, die zukünftig gemeldet werden müssen.
Aber auch Deutschland und Belgien haben bereits angekündigt, dass sie neue Verpflichtungen für B2B einführen wollen. Es gibt noch kein Datum, aber die Steuerbehörden prüfen das bereits und erarbeiten Vorschläge, was für die Länder das Beste wäre."
Hast du noch einen Tipp für Unternehmen?
"Die Unternehmen sollten nicht vergessen, dass es für diese Themen Experten gibt, die sie gerne unterstützen. Sie müssen nicht allein mit all diesen Herausforderungen zurechtkommen, denn genau dafür gibt es Unternehmen wie uns, die viel Zeit und Arbeit investieren, um jedes Unternehmen mit egal welchen Herausforderungen hier ideal unterstützen zu können."
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